stehen:sitzen:liegen
stehen:sitzen:liegen & Silent movement in Mu Shin motion ist eine
12 stündige Performance von Nina Lyne Gangl und Verena Wohlrab
2021 im Rahmen des "Kunstweg am alten Rhein"
In der Performance (8h), die im Mai 2021 am alten Rhein stattfand, sitzt, liegt und steht
Nina Lyne Gangl für jeweils eine Stunde.
Verena Wohlrab, auf einem Floß, bewegt sich „wie durch Wasser“: langsam, lautlos, fließend.
Durch die Reduktion alltäglicher Handlungen entsteht ein Raum für eine "Kommunikation des Fühlens" mit den vielfältigen Formen des Lebens, hier an diesem Ort.
stehen:sitzen:liegen
Stille, Atem, Bewegung
Inne Halten
8 Stunden: stehen, sitzen, liegen
Zeit zerfließt
Ich bin ein Körper und befinde mich auf einem Körper:
der Erde
Alles um mich ist Körper - wächst und zerfällt
Lauschen: welche Geschichte erzählt dieser Ort in diesem Moment?
Spüren: hinein in die Schichten, in mir drin und um mich herum.
Fühlen: das Gras unter meinen Füßen, die Luft auf der Haut.
Die Welt leibt mir gegenüber
Alles ist mit Etwas verbunden*
Beziehung ist Gegenseitigkeit**
*nach Donna Haraway
**nach Martin Buber
Fotos von Conni Holzer
Theoretischer Hintergrund der Performance von Nina Lyne Gangl
Was können wir tun in diesen „aufgewirbelten, trüben und verstörenden Zeiten“? Während sich das Leben von Menschen in Österreich seit mehr als einem Jahr Pandemie-bedingt mehr oder weniger im Ausnahmezustand befindet (bzw. befand), spüren Menschen und andere Lebewesen in anderen Teilen der Welt die Auswirkungen der Klimaerwärmung schon seit vielen Jahren. Kriege zwingen Menschen zur Flucht und die (Um)Weltzerstörung zur Profitmaximierung löscht ganze Arten von Lebewesen aus. Puh... !
„Die Aufgabe besteht darin, sich entlang erfinderischer Verbindungslinien verwandt zu machen und eine Praxis des Lernens zu entwickeln, die es uns ermöglicht, in einer dichten Gegenwart und miteinander gut zu leben und zu sterben.“ Schreibt Donna J. Haraway in ihrem 2016 in den USA erschienenem Buch „Unruhig bleiben — Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän“.
Mit „miteinander gut zu leben und zu sterben“ meint Haraway nicht nur das menschliche Miteinander, sondern das Miteinander aller Lebewesen dieses Planeten Erde. Dies setzt voraus, dass sich der Mensch nicht mehr ÜBER die Natur stellt, beziehungsweise sich als deren Gegensatz versteht, sondern sich als TEIL DES GANZEN versteht, in dem „alles mit etwas“ verbunden ist. (Haraway)
Haraway plädiert dafür unruhig zu bleiben, sowie zu lernen „wirklich gegenwärtig zu sein“.
Um das „Lernen wirklich gegenwärtig zu sein“, geht es auch in der Performance von Nina Lyne Gangl und Verena Wohlrab. Es geht darum sich „vom Moment berühren zu lassen“ und für sehr lange Zeit scheinbar nichts zu tun - nichts im Sinne des immer noch vorherrschenden Fortschrittsgedanken.
„Letztlich sind wir alle Körper auf diesem unglaublich großen lebendigen Körper namens Erde“, sagt Nina Lyne Gangl. „Und mit Hilfe meines Körpers (Leib) kann ich in Verbindung mit den anderen Körpern gehen, die sich genau in diesem Moment hier befinden wo ich mich in diesem Augenblick befinde.“ Der jeweilige Ort spielt hierbei eine wichtige Rolle.
„Unsere Schicksale sind miteinander verbunden, mit den Orten , an denen wir leben, und mit jedem und allem, was dort existiert. Wie viel realer fühlt sich meine Verantwortung an, wenn ich auf diese Weise darüber nachdenke“, schreibt Jenny Odell in „Nichts tun - die Kunst sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen.“
Nina sagt: Während ich also 12 Stunden lang für je Stunde abwechselnd stehe, sitze und liege, tue ich von außen gesehen nichts als das. Mein Körper aber, der meinen Geist in diesem Moment miteinschließt, ist in Verbindung mit dem Ort, in ganz aktiver Art und Weise. Mit meinem Atem, meinen Fußsohlen, meinen Händen bin ich in physischer Verbindung mit dem Quadratmeter Boden und den Kubikmetern Luft, an dieser Stelle am alten Rhein, da unter der Weide, nah dem Wasser. Meine Sinne nehmen diesen Ort und die Lebewesen die sich zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort befinden wahr, sind beobachtend und teilnehmend.
Ich befinde mich in einer Haltung des Ich-Du, wie der Philosoph Martin Buber es in seinem 1923 erschienen Schrift „Ich und Du“ beschreibt. Die Haltung des lch-Du erkennt die absolute Ebenbürtigkeit des Anderen an, und dieses Andere kann ein Mensch oder ein anderes Lebewesen sein.
„Kein Eindruck ist der Baum, kein Spiel meiner Vorstellungskraft, kein Stimmungswert, sondern er leibt mir gegenüber und hat mit mir zu schaffen, wie ich mit ihm - nur anders. Man suche den Sinn der Beziehung nicht zu entkräften: Beziehung ist Gegenseitigkeit.“ (Martin Buber)
Nina Lyne Gangl, Mai 2021